Es läuft nicht wirklich gut gerade für die Stiftung Preußischer Kulturbesitz (SPK) und ihren Präsidenten Hermann Parzinger. Gestern hat die bereits öffentlich designierte Sammlungsdirektorin Inés de Castro aus Stuttgart den Job wieder abgesagt. Ihr war eine Schlüsselfunktion bei Führung und Ausgestaltung des Museumskomplexes im Humboldtforum zugedacht, das ja bereits nächstes Jahr im wiederaufgebauten Berliner Stadtschloss eröffnen soll. Jetzt geht die Besetzung dieser Top-Personalie von vorne los, doch sie ist nun um einen bösen Haken reicher: Jede*r andere Kandidat*in weiß, dass sie oder er bestenfalls Zweite Wahl ist – je nachdem, wer vorher schon alles abgewunken hat, aber vielleicht auch erst Dritte oder Vierte oder so. Wollen international begehrte Fachleute sich dieses Stigma wirklich anheften?
Und das ist ja längst nicht alles, denn parallel laufen auf gleich mehreren Ebenen ziemlich zermürbende Debatten um die aktuell jedenfalls aufmerksamkeitsintensivste Kulturbaustelle Deutschlands*. Ungeklärt sind oder scheinen: Die konkrete Botschaft des Riesentankers, der nicht bloß ein nationales Prestige-Museum sein soll, sondern mindestens auch noch ein supranationaler Thinktank für globales Kulturverständnis. Eine schlüssige Haltung zum Thema Kolonialismus wird angemahnt, die über kollektives Bedauern und gelegentliche Rückgaben hinaus eine Idee, vielleicht sogar ein Modell für den Umgang mit international gewalttätiger Staatsgeschichte darstellt, und zwar nach innen (Museum) wie nach außen (internationale Beziehungen). Und nicht zuletzt ist die innere Verfasstheit der Institution im Herzen der deutschen Hauptstadt – vorsichtig formuliert – etwas unklar. Das absehbare Organigramm des Humboldtforums lässt jede halbwegs erfahrene Managementkraft an akutem Drehschwindel erkranken. Der Bund, die Stadt Berlin und die Museen der Stiftung bestehen auf Zuständigkeiten und favorisieren darüber hinaus verschiedene Konzepte für die Gesamtleitung. Wenn sich die Themen- und die Orgafragen dann auch noch verschränken, wird’s richtig krude.
Zu Beginn der Woche konnte man dazu bei Twitter einen interessanten Schlagabtausch zwischen Hermann Parzinger, dem Berliner Kultursenator Klaus Lederer, dem Kolonialismusforscher Jürgen Zimmerer und dem Geschäftsführer des Deutschen Kulturrats, Olaf Zimmermann verfolgen. Auslöser war eine Präsentation im Kulturausschuss des Berliner Abgeordnetenhauses. Dort hatte der Leiter des Stadtmuseums, Paul Spies, die Pläne für jene annähernd 4000 Quadratmeter im Humboldtforum vorgestellt, die sein Haus künftig bespielt. Die Berliner Morgenpost berichtete anschließend ausführlich darüber. Interessant am darauf folgenden Scharmützel des Kultur-Quartetts ist, dass Parzinger und Lederer nicht gerade als Best Buddys bekannt sind. In der Auseinandersetzung mit dem Duo Zimmerer/Zimmermann galt für die beiden Repräsentanten staatlicher Institutionen allerdings der alte Koalitionsgrundsatz: Getrennt marschieren, vereint schlagen. Das kann demnächst noch ziemlich lustig werden … also wenn’s gut läuft. Wenn’s nämlich nicht gut läuft, wird es nicht mal das: lustig.
… und sonst:
- Alle Jahre wieder? Trumps Haushaltsentwurf sieht auch für 2019 drastische Kürzungen bei der Förderung von Kunst und Geisteswissenschaften vor
- Von wegen Ende des Kinos? Die FFA meldet Zehnjahreshoch beim Lichtspielhausbestand
- „Und zum Dritt …“, ach nee: Das Europäische Kulturerbejahr wurde jetzt sogar schon zum vierten Mal offiziell eröffnet; nach Mailand, Hamburg und Brüssel auch in Berlin
- Kein leichtes Erbe: Die Stiftung Preußischer Kulturbesitz übernimmt den Riefenstahl-Nachlass
- Gute Idee: Die Hildesheimer Kulturforscherin Birgit Mandel initiiert einen hoch dotierten Preis für Kulturvermittlung
- #Double4Culture – Das Netzwerk Culture Action Europe wirbt für die Verdoppelung des EU-Kulturbudgets ab 2020
- Beschluss und Mahnung: Die FFA erhöht die Mittel zur Sicherung des Filmerbes und Präsident Neumann appelliert an die Bundesländer
- Hebel 1:6! 57 Millionen Euro aus dem Deutschen Filmförderfonds haben 2017 laut Bundesregierung zu „kulturwirtschaftliche Investitionen“ von 320 Millionen Euro geführt (gemeint sind vermutlich: Ausgaben)
- Kunstfreiheit und Kulturpolitikforschung: Mit dem „Weltbericht Kulturpolitik 2018“ der UNESCO werden auch deutsche Defizite diskutiert
- „Bundeszentrale für literarische Bildung“? Unabhängige Verlage fordern in einer Düsseldorfer Erklärung mehr Wertschätzung und Förderung
- Und die Künstlerische Freiheit? Wird im Greifswalder Manifest angemahnt
- Zeit der Reflexe: Ein Museum provoziert mit einer erklärtermaßen temporären Aktion eine Debatte – und alle Glaubenskrieger fliegen hoch
- Literaturzentrum im Aufbau: Jörg Albrecht startet auf Burg Hülshoff
- Gewagte Pirouetten auf glattem Parkett: Düsseldorfs OB Thomas Geisel macht die Raubkunst zur Chefsache
- Ganz dicke Luft: Der kulturpolitische Sprecher der Union im NRW-Landtag, Bernd Petelkau, hat mächtig Ärger in seiner Kölner Heimatpartei
- Nach Kulturentwicklungsplan und Kunstkommission: Düsseldorf wählt im April einen „Rat der Künste“
- Kulturhauptstadt 2025: Pforzheim hadert, Zittau macht, Hannover erlebt eine „Katastrophe“ um den Kulturdezernenten … und Chemnitz forscht
- Bereits im Hintertreffen? Hannover macht sich Mut für die verzögerte Kulturhauptstadtbewerbung
- Langer Weg, erste Schritte: Remscheid, Solingen und Wuppertal versuchen sich an einem kooperativen Kulturraum
- Abseits der Aufmerksamkeit: In der Debatte um die folgenreiche Urheber-Richtlinie der EU kommt aus München ein neues Gutachten zur Vergütungslücke
Zuletzt ein zumindest leicht eigennütziger Hinweis für ambitionierte Kulturmager*innen: Wuppertal sucht eine neue Leitung für das städtische Kulturbüro – und eine super Stadt (siehe Foto) braucht super Personal. Die Stelle wird EXTERN besetzt. Spread the word!
(*es wird übrigens immer wieder behauptet, das Berliner Stadtschloss sei die größte/teuerste Kulturbaustelle Deutschlands. Das stimmt – jedenfalls aus jener Hauptstadt-Perspektive, für die Deutschland hinterm Wannsee gleich mit Berlin zusammen aufhört. Ansonsten war sie es aber schon bei Grundsteinlegung wegen der parallel entstandenen Elbphilharmonie nicht. Und je nachdem, wie sich die Kölner Oper so entwickelt, wird sie es auch in ihrer Restlaufzeit nicht sein.)