Gut 100 Millionen der insgesamt zwei Milliarden Euro „Neustart“-Hilfen für die Kultur hat die Bundesregierung in die Bildende Kunst verteilt. Etwa ein Drittel davon haben mehr als 230 Galerien und Kunsthändler erhalten, darunter auch solche, die wider Erwarten keine finanziellen Verluste während der Pandemie erlitten haben. Das hat eine Recherche von Deutschlandfunk Kultur ergeben. Skandalös ist daran: nichts.
Die Kolleg*innen beim Deutschlandfunk Kultur haben getan, was Journalist*innen tun sollten: Recherchiert, wer wofür staatliche Gelder erhält; in diesem Fall der Kultursektor während der Corona-Krise. Was sie bei genauerem Hinsehen nicht gefunden haben, ist etwas Verwerfliches: Der Staat hat in einer ein- und erstmaligen Situation und für seine Verhältnisse extrem schnell versucht, die kulturelle Infrastruktur des Landes zu sichern; die eigene staatliche wie auch die privatwirtschaftliche. Wegen der Dringlichkeit – auf die nicht zuletzt Kommentator*innen des Deutschlandfunks seit dem Frühjahr 2020 immer wieder in teils dramatischen Appellen hingewiesen haben – wurde auf Bedarfsprüfungen explizit verzichtet, weil das die Bewilligung der Mittel stark verzögert hätte. Unter anderem gab und gibt es bis heute für solche Prüfungen im Kulturbereich weder Regeln noch Fachkräfte. Es war im Übrigen (zeit)aufwändig genug – davon können alle Beteiligten sehr traurige Lieder singen -, die Hilfen konform zum Beihilferecht der EU und den formalen Vorgaben von Bundesverwaltungsamt und Bundesrechnungshof hinzukriegen. Dass in der Folge auch einzelne international tätige Top-Galerien und -Künstler*innen (in der Relation eher unbedeutende) meist fünfstellige Summen aus einem Milliardenprogramm erhalten haben, kann man im Nachhinein unnötig finden, ist aber nun wirklich kein Skandal.
Nicht zuletzt im Deutschlandfunk Kultur jedoch wurde in Berichten, Interviews und Kommentaren seit März 2020 immer wieder das Narrativ bedient, der Kultur sei in der Pandemie nicht wirklich geholfen worden. Dabei wurde nahezu durchgängig ignoriert, dass sie sogar der einzige (sic!) Bereich war, den der Bund mit einem eigenen Hilfsprogramm unterstützt hat; das hatten vor allem Gastronomie und Tourismus (und sogar die Autoindustrie) auch gewollt, aber nicht bekommen. Nun zwei Jahre später durch raunende Formulierungen wie „Kunst des Lobbyierens“ oder „der Verband scheint gleichberechtigter Verhandlungspartner der Politik zu sein“ den Eindruck zu erwecken, Teile der Kultur- und Kreativwirtschaft, also Künstler*innen und Kunsthändler*innen, hätten sich auf fragwürdige Weise an Steuergeldern bereichert, ist jedenfalls bemerkenswert. Die bislang bekannten Rechercheergebnisse legitimieren diesen Verdacht nicht. Mit anderen Worten: Der sprachliche Ausdruck passt zugunsten von Skandalisierung nicht zur Sachlage. Diese Methode kennt man in unserer Branche allerdings nur zu gut – von BILD und Springer.