Große Überraschung auf dem Kulturtransfermarkt: Mit Hartmut Dorgerloh und Matthias Lilienthal wechseln zwei absolute Top-Player ihrer Sparten den Job. Lilienthal wird die Münchner Kammerspiele bereits 2020 wieder verlassen, nachdem die CSU-Fraktion im Münchner Stadtrat der Grundhaltung aller Konservativen in Gesellschaft und Politik mal wieder alle Ehre gemacht hat: Sich dem Wandel sogar dann noch bockig verweigern, wenn er längst mehr als nur überfällig ist. Die Christsozialen von der Isar mochten Lilienthals Vertrag nämlich nicht verlängern – da mochte Lilienthal dann auch nicht mehr. Aber was soll’s: Lebbe geht weiter!
Hartmut Dorgerloh hingegen zieht von der Berliner Peripherie (sorry, Potsdam) und der Führungsposition in der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten ins Zentrum des Geschehens – und zwar mittenrein: Er soll das Humboldtforum nächstes Jahr in die Eröffnung führen (aus heutiger Sicht liest sich ein Artikel von ihm aus dem Januar 2017 fast wie ein Bewerbungsschreiben). Alle sind offiziell ziemlich froh, denn der Mann hat was auf dem Kasten, ist international angesehen wie vernetzt und kennt nicht zuletzt die Fallstricke der Politik in Bund und Ländern.
Allerdings ist Dorgerloh nicht gerade das personifizierte Identifikationssubjekt für ein diverses, inklusives Weltmuseum, sondern ein weißer, männlicher, deutscher Protestant. Nebenbei wird diese – ich nenn’s mal ebenfalls „konservative“ – Personalpolitik für die angebliche Vorzeigeinstitution deutscher Weltoffenheit im 21. Jahrhundert schlüssig komplettiert durch die nahezu zeitgleich berufene zweite Spitzenkraft: Der Musikethnologe Lars-Christian Koch übernimmt die Sammlungen im Humboldtforum . Eine Inhouse-Lösung, auch er ein ausgewiesener Experte, doch auch er weiß, männlich, deutsch …
Vermutlich weiß die Stuttgarter Museums-Koryphäin mit Migrationshintergrund, Inés de Castro, nur zu gut, warum sie den Job doch nicht angenommen hat. Ich bin gespannt, ob es Monika Grütters im Laufe der Legislaturperiode gelingt, zu schlechter Letzt auch die Führung der Kulturstiftung des Bundes noch mit einem Mann zu besetzen. Wie hieß gleich der Claim zu ihrer Kampagne in Sachen Frauen im Kulturbetrieb? Genau: „Weil es 2017 ist“. Vielleicht hat die Kulturstaatsministerin ja das – rein sprachlich betrachtet auch gar nicht so falsche – Gefühl, der Satz sei schon wieder von gestern …
… und sonst:
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