Im Kulturausschuss des Düsseldorfer Landtags hat die Opposition einen schweren Stand: Sie wäre so gern mal dagegen – sie weiß bloß nicht, gegen was. Einzig der Sprecher der CDU hält das Fähnlein des Widerstands demonstrativ hoch, indem er bei jeder Gelegenheit mehr Respekt für die schwarzgelbe Vorgängerregierung einklagt. Den aber gar keiner verweigert.
Professor Doktor Doktor Thomas Sternberg war mal wieder hoch erbost über Nordrhein-Westfalens Kulturministerin: Ute Schäfer tue wirklich alles, um die Verdienste und Erfolge der Regierung Rüttgers auf dem Kultursektor „nicht mal zu erwähnen“, sagte er am Donnerstag in seiner Antwort auf ihre „Kleine Regierungserklärung“ im Kulturausschuss. In der Tat hatte die SPD-Politikerin darin die Leistungen von CDU und FDP in deren Regierungszeit zwischen 2005 und 2010 bis auf einen lobenden Hinweis zur Etatsteigerung während dieser Zeit und zum schweren Erbe des Programms „Jedem Kind ein Instrument“, kurz Jeki, nicht weiter angesprochen. Schäfer ließ den kulturpolitischen Sprecher der Unionsfraktion mit einer süffisanten Bemerkung zu Sinn und Unsinn von Regierungserklärungen locker abtropfen …
Allerdings fragte sich in diesem Moment wohl alle im Raum außer Sternberg: Warum hätte sie an dieser Stelle länger über die Leistungen der früheren Regierung sprechen sollen? In Schäfers Rede sollte es ja ausdrücklich um die Vorhaben der rotgrünen Landesregierung für die kommende Legislaturperiode bis 2017 gehen. Wahrscheinlich hätte sogar Sternberg selbst da über eine detaillierte Eloge auf das eigene Lager gestutzt. Andererseits: Viel mehr hatte der Christdemokrat an Schäfers Vortrag dann nicht mehr zu bemängeln. Zwar wünschte er sich wieder einen gesonderten Kulturstaatssekretär und kritisierte erneut die fortgesetzte Beschränkung von Jeki auf das Ruhrgebiet. Aber drei einsame Kritikpunkte nach vier Wochen reiflicher Überlegung (Erklärung und Aussprache erfolgten in zwei verschiedenen Sitzungen)? Heftiger Gegenwind aus einer Oppositionspartei sieht irgendwie anders aus.
Doch wogegen sollte Sternberg auch eigentlich sein? Gegen die zunehmende Konzentrierung der Förderkräfte auf den Bereich der Kulturellen Bildung? Gegen die rotgrünen Bemühungen, die Kommunalfinanzen zu sanieren und damit das Ständerwerk der lokalen und regionalen Kulturförderung zu sichern? Gegen den Theaterpakt, die Spitzenförderung im Tanz oder einen 7,5-Millionen schweren Etataufschlag im Rahmen des geplanten Kulturfördergesetzes? Die Initiative zu letzterem unterstützen mittlerweile sogar Liberale und Piraten ausdrücklich. Nur die Union ist aus Gründen der politischen Farbenlehre und Gesichtswahrung offiziell weiter strikt dagegen. Ihre letzte Ausschusssprecherin Monika Brunert-Jetter hatte als gelernte Bibliothekarin und Präsidentin des NRW-Bibliotheksverbandes Jahre lang für ein Einzelsparten- und gegen ein übergreifendes Kulturfördergesetz gekämpft. Jetzt wollen die Christdemokraten im Kulturausschuss ihrer früheren Frontfrau nicht in den Rücken fallen.
Und das ist vielleicht das Bezeichnendste an ihrem Vorgänger und Nachfolger Thomas Sternberg: Er ist eine wirklich honorige Erscheinung. Falls sie in der CDU mal nach einem echten Vorbild für Loyalität und Führungstreue suchen: Der Direktor der Katholisch-Sozialen Akademie in Münster ist ganz sicher der erste Kandidat. Denn Sternberg war schon einmal Sprecher der CDU im Kulturausschuss des Landtages. Nach dem Machtverlust im Parlament 2010 brauchte die Union dann aber plötzlich ganz dringend einen Vorsitzenden für den Schulausschuss, der sich auch intellektuell als Gegenspieler für die grüne Ministerin Löhrmann eignete – Sternberg machte es und überließ sein heiß geliebtes Steckenpferd Kulturpolitik der Kollegin Brunert-Jetter aus dem Siegerland. Als Landeschef Norbert Röttgen dann sein Schattenkabinett für die Neuwahlen im Mai 2012 vorstellte, war Sternberg wieder auf dem Kulturdampfer unterwegs und sollte im Falle eines Wahlsieges in die Fußstapfen Hans-Heinrich Grosse-Brockhoffs treten, des langjährigen Doyens christdemokratischer Kulturpolitik in NRW. Daraus wurde bekanntlich nichts, die CDU holte sich beim Wähler eine echte Klatsche ab.
Nun sitzt Sternberg also wieder als Sprecher der größten Oppositionspartei im Kulturausschuss des Landtages und darf nicht gut finden, was die Frau macht, die auf dem Sessel sitzt, der eigentlich ihm zugedacht war. Nur: Bei genauerem Hinsehen macht Ute Schäfer das meiste so, wie er es auch getan hätte. Und an dieser Stelle offenbart sich das große, vielleicht sogar das größte Problem, dass die Union zurzeit hat, nicht nur in NRW: Sie kann nicht über ihren politischen Schatten springen. Sie weigert sich vehement mitzutragen, was sie eigentlich für richtig hält, wenn der politische Gegner an der Regierung ist. Einzige Ausnahme bisher: Der Schulkompromiss, dem sie nach zähem Ringen zustimmte, weil die eigenen Basis in Kommunen und Kreisen Sturm lief gegen eine Politik, die der Lebenswirklichkeit der Menschen massiv widersprach. Aber in der Umwelt- und Energiepolitik, bei Betreuungsgeld und Interkultur, Gleichstellung der Lebensmodelle oder im Umgang mit Zuwanderern, ist die CDU immer noch auf dem Weg, der auch ihrem kulturpolitischer Sprecher Thomas Sternberg in der jüngsten Aussprache zur Kleinen Regierungserklärung mal wieder eine Beule an der Stirn eingebracht hat: Er führt nämlich direkt gegen die Wand!