Ganz kurz vorm Einmarsch!

Bei den Vorwahlen in den USA naht die große Entscheidung. Möglicherweise bleibt danach nur noch eines: UN-Mandat, einmarschieren und das Land neu aufbauen. Denn so kann es ja nicht weiter gehen.

„G.O.P.“ heißt die amerikanische Entsprechung zu den deutschen Unionsparteien – Grand Old Party. Und tatsächlich haben die Republikaner dieser Tage wieder etwas Großes und Altes in ihrer Mitte: den offenbar unzerstörbaren Glaubensfuror des Mittelalters und der nachfolgenden Konfessionskriege. Ob Santorum, Gingrich oder Romney, keiner der für die Präsidentschaftswahl in Rede stehenden Kandidaten lässt eine Gelegenheit aus, die Erkenntnisse und Errungenschaften von Wissenschaft und Aufklärung in Frage zu stellen. Der eine behauptet „ernsthafte Lücken“ in Evolutionstheorie und Physik, der andere lehnt zweitausend Jahre Zivilisation mit dem Gesellschaftsvertrag ab und will stattdessen den Staat bis auf die Ordnungskräfte und das – eigene – Präsidentenamt abschaffen. Dass die Frau, die den Hurrikan „Irene“ eine „göttliche Warnung“ nannte, solchen Stuss zumindest vorerst nicht im Oval Office oder – fast möchte man sagen: „Gott bewahre!“ – War Room des Weißen Hauses verkündet, liegt bedauerlicherweise nicht an der Einsicht des Wahlvolkes in ihre Minderbegabung, sondern bloß am zu geringen Budget ihrer Kampagne. TICKEN DIE EIGENTLICH NOCH GANZ SAUBER?

Wir müssen wohl mal ganz ernsthaft mit unseren amerikanischen Freunden reden: Es ist ja schon hierzulande schwer genug, die Menschen von den Notwendigkeiten der Integration zu überzeugen – der von Zuwanderern sowieso, vor allem aber von der eigenen Integration in eine wirtschaftlich wie kommunikativ vernetzte Weltgesellschaft. Das ist ein enormer Kraftakt, den nicht nur bildungs- wie demokratieferne Bevölkerungsgruppen nur unter größten Anstrengungen leisten können, und der dennoch – ausnahmsweise mal tatsächlich – alternativlos ist. Dazu gehört die nicht eben leichte Einsicht in ein paar Wahrheiten, die oft schmerzhaft sind oder wirken:
1. Alle Menschen sind gleich viel wert, aber eben nicht gleich. Das muss man aushalten, wenn man in Frieden leben will.
2. Der Markt ist dem Plan wirtschaftlich überlegen, regelt aber nicht alles im Sinne der Gesamtgesellschaft zufriedenstellend. Also muss man klug eingreifen und taub für Lobbyisten werden.
3. Die Erde ist einer von Milliarden Planeten; die uns unmittelbar umgebende „Natur“ – unsere Umwelt – ein ziemlich komplexes, aber trotzdem völlig zufällig entstandenes System. Es ergibt nur in Gegenwart und Vergangeneit einen „Sinn“, aber kein wie auch immer geartetes „Ziel“ in der Zukunft. In other words: There is NO mission! Und das heißt schließlich auch
4. Es gibt keinen Gott und keine Götter. Nicht im Himmel, nicht in Steinen oder im Wasser. Ob leider oder zum Glück ist eine völlig müßige Debatte. Was es stattdessen ganz sicher gibt, sind tatsächlich universale Werte für das menschliche Zusammenleben: Respekt vor dem Anderen, Liebe zum Nächsten, die Achtung von wie die Verpflichtung durch Fähigkeit, Leistung und Besitz. Ob das Anerkennen dieser Werte dann christlich-abendländisch, muslimisch-orientalisch oder buddhistisch-morgenländlich motiviert ist, ist am Ende völlig schnuppe. Hauptsache, alle benehmen sich!
Die menschliche Zivilisation hat Jahrtausende gebraucht, um die naturwissenschaftlichen Grundlagen ihrer Existenz zu entdecken, zu verstehen und öffentlich zu machen. Und genauso lange, um Organisations- und Kommunikationsformen zu entwickeln, die ein geordnetes, friedliches Zusammenleben in materieller Absicherung ermöglichen – und auch das vorerst nur theoretisch für alle;  es ist ja immer noch nicht der Lebensstandard der ganzen Welt. Damit sind die wirklich wichtigen Aufgaben für die nächsten Jahre und Jahrzehnte aber auch schon beschrieben: Die Sicherung, Verbreitung und Weiterentwicklung einer nachhaltigen wie friedlichen Gesellschaft. Wenn jetzt also ernsthafte Kandidaten für das machtvollste Wahlamt der Welt die Zeit zurückdrehen wollen, muss der Rest der zivilisierten Welt ganz laut und deutlich fragen: – GEHT’S NOCH? Entwurf für einen Aufruf:
„Liebe amerikanischen Freunde, US-Bürger!
Versteht uns bitte nicht falsch, aber jetzt ist wirklich gut mit eurer früher schon immer mal wieder erkennbaren Spinnerei. Besinnt euch – oder wir marschieren ein! Nicht mit bewaffneten Friedenstruppen, sondern mit einer Bildungsarmee für den konservativen Teil eurer Gesellschaft, im Speziellen die großen und landschaftlich sehr schönen, intellektuell aber offenbar verarmten Gebiete zwischen den Küsten. Wir haben übrigens schon Bayern und Bulgarien zivilisiert – Euch schaffen wir locker!“

Über derkulturpolitischereporter

Peter Grabowski ist der kulturpolitische reporter in NRW und drum herum
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